Kevinismus

Man kennt das aus Talkshows wie “Vera am Mittag”. Da sitzt dann so eine 17-jährige Jacqueline und fragt sich, ob wohl Silvio oder Ronny der Erzeuger ihres kleinen Justin-Pascal ist.
Das wird vielleicht mal ein Job für die Super-Nanny, vor allem aber haben wir hier ein Beispiel für ein ganz neues Phänomen: den Kevinismus. (wobei ich Kevin noch okay finde – so heißt sogar mein Cousin. Nur ostdeutsch ausgesprochen ist Kefn ein wenig uncool)

“Als Kevinismus (auch Chantallismus) bezeichnet man die krankhafte Unfähigkeit, menschlichem Nachwuchs menschliche Namen zu geben”, definiert eine Internet-Satireseite diese Erscheinung. Obwohl nicht ganz wissenschaftlich, wird der Begriff plötzlich in Expertenrunden und auf Fachtagungen bereits ganz selbstverständlich benutzt. Denn jeder kennt dieses Phänomen. Jeder, der schon einmal Geburtsanzeigen gesehen hat, wo eine Annemarie-Joy begrüßt wurde oder ein Jens Berlin Lukas. Hier zeigen sich bereits die Mechanismen, nach denen Kevinismus funktioniert:

Es sind stets Doppel- oder Dreifachnamen Kindernamen, von denen mindestens einer als Vorname hierzulande absolut unüblich sein und möglichst englisch, französisch oder gleich ganz exotisch klingen muss. Das Phänomen kann sich steigern bis zu Kendra Tiara Zoe, die ihren Namen ihr Leben lang wird buchstabieren müssen. Das gilt übrigens auch für Modifikationen bekannter Namen: Tauft man den Sohn Timm oder Paull, ist die Diagnose klar: „Kevinismus“.

Wer nun hofft, die Bürokratie würde hier eingreifen, der irrt: Ein Mädchen wurde Pepsi Carola getauft und zwar mit richterlichem Segen.

Ungekrönter König der Kevinisten ist der Schauspieler Uwe Ochsenknecht. Seine Kinder strafte er mit den Namen Rocco Stark, Wilson Gonzales, Jimi Blue und Cheyenne Savannah. Am Beispiel des Mimen lassen sich übrigens zwei Grundannahmen über den Kevinismus widerlegen.

Erstens heißt es oft, dieses Phänomen trete nur in bildungsfernen Schichten auf. Ochsenknecht aber hat das Gymnasium besucht.

Zweitens werden meist die Mütter des Kevinismus bezichtigt. Doch Rocco Stark ist von einer anderen Mutter als die anderen drei. Offenbar trägt also hier der Vater das Kevinismus-Gen.

Hier einige Beispiele, die die Diskrepanz Bildungsstand und Namensgebung darlegen:

Im Supermarkt: Mutter zu ihrer Tochter:
Schakke-line, komm wech von die Regale, Du Arsch!”

Eine Mutter ruft ihrer ca. 8-jährigen Tochter vom Balkon zu:
Schan-talle, geh nischt bei die Asis!”

Mutter und ein 3- bis 4-jähriges Mädchen im Supermarkt. Die Mutter ist schon an den Kühlregalen, die Kleine macht sich am Obst zu schaffen. Die Mutter ruft durch den Laden:
“Schakke-line (ja, wirklich!), komma bei Mama jetz! Nein, kein Apfel, wir hatten Kaugummi ausgemacht!”

Meine ehemaligen Nachbarn hatten ein kleines Kind, ca. 5 Jahre alt, das immer im komplett asphaltierten Hof spielen musste. Zur Essenszeit brüllte die Mutter regelmäßig aus der Wohnung:
“Komm jetz sofort rein, Marcel, du beschissene Drecksau, sonst knallt’s!”

Dialog zwischen zwei Kindern im Warner Brothers Movie World:
Kind 1:
“Wo is Mischelle hin?”
Kind 2:
“Mischelle is, wo der Bahn am gehen tut!”

Weitere Perlen gefällig:

“Schantall, die Mutti ist jetzt (sie buchstabiert) W-E-C-K – weg!

“Üffes, komm! Wir gehen deinen Kinderjebuchtstach inna anderen Frittenbud feiern!”

Vor 2 Wochen im Zug nach Würzburg:
Ca. 16-jährige Mutter drückt ihrem 1-jährigen Kind ein belegtes Sandwich von ca. 5 cm Dicke in die Hand, um es ruhig zu stellen. Kind krümelt natürlich wie verrückt. Darauf die Mutter:
“Ey, Schantall… Du bist so Scheiße, ey…!”

Mutter zur ca. 6-jährigen Tochter:
“Michelle! Du kommst jetz bei mir, sonst kannste später alleine na Hause fahn!”

Mutter im Woolworth:
“Tschastiiiiiiin, du bledie schlomp. Lass des Kinner-Ei ligge, sonscht gebbts glei paa uf die gosch!”

Unlängst wurde ich mal von einem Nachbarn geweckt:
“Määäääääääääändy, den grünen Fahrrad is wech. Ich glaub, den is geklaut!”

Mutter:
„Ey, Zelliine! Hör auf mit die Scheiße, sonst tritt isch disch!”

Und hier noch ein paar andere Intelligenzbestien:

Als ich noch bei uns im Dorf an der Tankstelle gearbeitet habe, kam mal ein Junge von der Dönerbude rein. So ca. 10 bis 11 Jahre alt:
Er:
“Hallo, ich soll Kippen für meinen Vater holen!”
(… Klar, das sagen alle!!)
Ich:
“Du bist aber noch keine 16, oder?”
Er:
“Nee, aber die sind wirklich für meinen Vater, der hat mir auch nen Zettel gegeben!”
Er reicht ein Stück Papier rüber und auf dem steht ungelogen:
“1 x Malbüro”

Brüllt ein Mann über die Straße, weil sein Auto zugeparkt ist:
“Wem ist die Mopped?”
Ein anderer:
“Misch!”

Letztens im WallMarkt:
Ein Mann sucht seine Frau, er holt tief Luft und schreit (unmittelbar neben meinem Ohr):
“Komm ma schnell nach misch!”

Mit einem schönen Dialog aus dem Ruhrpott beenden wir nun das Kapitel Kevinismus
Ein Mann sitzt im Unterhemd auf ein Kissen gestützt am offenen Fenster im dritten Stock.
Auf der Straße geht ein Kumpel vorbei.
Fenstermann:
“Eeeeeeeeey! Wo geeeeeeeehse?”
Straßenmann:
“Pommes!”

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13 Gedanken zu „Kevinismus

  1. Auch mir ist neulich ein eklatanter Fall von Kevinismus untergekommen… mußte ich doch mit anhören, wie eine Frau ihre Freundin von draußen durch das offene Küchenfenster fragte (damit es auch jeder hört) :

    “Schakkeline, bis du de Suppe am kochn???”

    Ein Albtraum, sage ich Euch!

  2. Die Fallbeispiele sind aber durchweg alles andere als ostdeutscher Herkunft …. 😉

  3. @alex: meins nicht – ich komme aus dem tiefsten Sachsen-Anhalt und ich kann dir eines verraten: RTL & Co übertreiben zwar bei ihrer klischeehaften Auswahl der ostdeutschen Kandidaten ihrer Realtity-Shows aber die Realität ist manchmal nicht weniger gruselig 👿

  4. Wie sich wohl ein Kevin fühlen muss, wenn er Siestas liest. Ist euch nicht klar wie gemein ihr seid? Wegen Solcher Artikel dauert es nicht mehr lange, und jedes Kind das so einen Namen hat wird von seinen Mitschuelern fertiggemacht. Auch wenn besonders diese Leute ein wenig komisch sind, sie haben trotzdem Gefühle!

  5. Es kommt doch immer auf den Kevin an Miriam.
    Mein Cousin heißt Kevin und ist “normal”.

    Aber es gibt aber viele, auf die oben genannten passt…und die werden so oder so fertig gemacht oder machen andere fertig. Das hat mit dem Namen nichts zu tun 😉

  6. @Hisky:
    Mobbing kann jeden treffen. Und ich kann mir gut vorstellen das dieser Kevinismussch*** den ein oder anderen dazu veranlassen kann seine Mitmenschen wegen ihrer Namen fertig zu machen. Da kann eine Sheyenne auch super nett und lustig sein, der nächste Torfkopf der sich solche Texte durchgelesen hat macht sie mit seinen Freunden fertig! Überall finden sich solche Idioten, die nichts besseres zu tun haben als andere fertig zu machen. Und wenn solche Vorurteile immer weiter verbreitet werden, gibt es bald eine neue Randgruppe die auf dem Schulhof fertiggemacht wird! Meine Meinung!

  7. Hi Miriam,

    ein Name ist nur ein Name. Wer sich wie ein “Kevin” verhält wird verarscht, auch wenn er Stefan heißt.

    Zumindest kann ich mich daran zurück erinnern, dass nur die Kinder verarscht (in meinen Augen ist das nicht sofort Mobbing!) wurden, welche entsprechende Angriffsfläche geboten haben. Genauso wie ein H. Wulff “gewulfft” wird, weil er sich nicht sauber verhalten hat.

    Wie gesagt – mein Cousin heißt Kevin und ähnelt eher einem Kevin Costner als einem oben beschrieben Kevin. Weil er sich entsprechend verhält 🙂

  8. Jaaa—- und was ist das denn, wenn mir eine Schülerin sagt, sie hieße Joanne, ich soll aber Joan schreiben? Auch schon Kevinismus?
    Und übrigens gibt es auch noch die Variante Keven (statt Kevin) oder Nomen (statt Norman).
    Extra-klasse finde ich den Namen:”Sanitas” in manchen Fällen auch “Sanity”… armes Kind…
    So richtig Sorgen mache ich mir allerdings um die Kinder, die ihren Namen vermutlich erst als Erwachsene werden schreiben können: Shania-Chantal (sprich: Schanajaschantalle) oder Tesca – Nadjiira (sprich Teskanetschiira) oder einfach nur Buster-Jaques-Emilio – das kriegt ihr nie in die Zeile im Klassenbuch, besonders dann nicht, wenn der Nachname auch noch doppelt ist, wie Schmidt-Feuerhake oder so. Ich erinnere da nur an den Namen der Frau Leutheuser – Schnarrenberger … richtig geschrieben?
    Mittlerweile bin ich ein bekennender Kevin-Fan, denn das kann man verstehen und schreiben, kann es sich merken und bei durchschnittlich drei Kevins pro Klasse verteilt man einfach Nummern..,.

  9. Sanitas? Das klingt nach Toilette irgendwie…und nicht nach Heilung.

    Wie gesagt…mein Cousin heißt Kevin (nicht Kevn oder Keven) und er kann echt froh sein, dass er ein normalen Kevin geworden ist. Und kein Kevin-Ronny oder Kevin-Julian.

    Vielleicht solten wir generell zu Nummern übergehen? Klappt bei EANs ja auch gut!

  10. :thumb:
    Ja, gratuliere dem Jungen auch von mir! Da hat er aber Glück gehabt.
    Sanitas: das wäre passend für die Tochter eines Gas-Wasser-Sch…. Installateurs..

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